Gute Nachrichten für die Zeitarbeitsbranche: Mit Urteil vom 31.05.2023 hat das BAG entschieden, dass die Schlechterstellung von Leiharbeitnehmern gegenüber Stammbeschäftigten durch die Tarifverträge der Zeitarbeit rechtens ist.
Das Gesetz ordnet in § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG an, dass der an einen Entleiher überlassene Arbeitnehmer grundsätzlich ab dem ersten Tag seines Einsatzes einen Anspruch auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen - einschließlich des Entgelts - hat, die einem vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers gewährt werden (sogenannter equal pay- oder equal treatment-Grundsatz). Hiervon kann jedoch nach § 8 Abs. 2 S. 1, 3 AÜG durch einen Tarifvertrag oder eine Bezugnahme darauf abgewichen werden.
Hinsichtlich des Entgelts wurde die Abbedingung des Gleichstellungsgrundsatzes durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.04.2017 eingeschränkt: Eine solche ist nur noch für die ersten neun Monate einer Überlassung des Leiharbeitnehmers an einen Entleiher möglich, es sei denn, es findet ein sogenannter Branchenzuschlagstarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, der die Anforderungen im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 2 AÜG erfüllt. Dass diese gesetzlichen Bestimmungen und die hierauf fußenden Tarifverträge insbesondere der Zeitarbeit (BAP/DGB und iGZ/DGB) mit den europarechtlichen Anforderungen der Leiharbeitsrichtlinie in Einklang stehen, wurde teilweise angezweifelt - so auch von der Klägerin in dem vom BAG zu entscheidenden Fall.
Dementsprechend legte das BAG den Fall zunächst dem EuGH vor. Dieser stellte fest, dass ein niedrigerer Lohn für Leiharbeitnehmer nur dann zulässig sei, wenn für diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ein Ausgleich vorgesehen werde. Werden Leiharbeitnehmer auf Grundlage eines Tarifvertrages also schlechter bezahlt als Stammarbeitnehmer, müssen ihnen dafür an anderer Stelle geeignete, wesentliche Vorteile gewährt werden - z.B. in Form zusätzlicher Freizeit. Es kommt - so der EuGH - auf die Achtung des sogenannten Gesamtschutzes an.
Daraufhin hat das BAG nun die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Von dem Grundsatz, dass Zeitarbeitnehmer für die Dauer einer Überlassung Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers haben, könne nach § 8 Abs. 2 AÜG ein Tarifvertrag "nach unten" mit der Folge abweichen, dass das Zeitarbeitsunternehmen dem Zeitarbeitnehmer nur die niedrigere tarifliche Vergütung zahlen müsse. Ein entsprechendes Tarifwerk habe der iGZ mit ver.di geschlossen. Laut BAG genügt dieses, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 der Leiharbeitsrichtlinie.
Zur Begründung führte das BAG an, ein möglicher Ausgleichsvorteil nach der Rechtsprechung des EuGH kann - sowohl bei unbefristeten als auch befristeten Zeitarbeitsverhältnissen - die Fortzahlung des Entgelts auch in überlassungsfreien Zeiten sein. Anders als in einigen anderen europäischen Ländern seien verleihfreie Zeiten nach deutschem Recht auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen stets möglich, etwa wenn der Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt werde oder der Entleiher sich vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehalte. Das Tarifwerk von iGZ und ver.di gewährleiste die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Außerdem habe der deutsche Gesetzgeber in § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG für den Bereich der Leiharbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für die Verleihfreizeit uneingeschränkt tragen, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 S. 1 BGB, der an sich abdingbar sei, im Leiharbeitsverhältnis nicht abbedungen werden könne. Zudem habe der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten dürfe. Außerdem sei seit dem 01.04.2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 S. 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt.
Die Klägerin habe daher im Ergebnis keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten. Aufgrund des wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifwerks von iGZ und ver.di sei die Beklagte nach § 8 Abs. 2 S. 2 AÜG und § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG a.F. nur verpflichtet gewesen, die tarifliche Vergütung zu zahlen.