In einem vom Oberlandesgericht Schleswig mit Urteil vom 09.12.2022 entschiedenen Fall war der Unternehmer unter anderem mit der Herstellung von Unterzügen als selbsttragenden Konstruktionen beauftragt, wie sich aus dem Leistungsverzeichnis ergab. Aus der nach Angebotsabgabe übergebenen Statik ergab sich dagegen, dass es sich bei den Unterzügen um nicht tragende Balken als obere Wandabschlüsse handeln sollte. Entsprechend der Statik wurden dem Unternehmer Pläne übergeben, nach denen er die Unterzüge mit einem erheblichen Mehraufwand hergestellt hat. Den hierzu gestellten Nachtrag über rund 250.000,00 € wies der Bauherr mit der Begründung zurück, die Herstellung der Unterzüge als nichttragende Balken sei von Anfang an vereinbart gewesen.
Dieser Argumentation des Auftraggebers hat sich das Oberlandesgericht Schleswig zwar nicht angeschlossen, sondern klargestellt, dass sich der Unternehmer auf die Angaben im Leistungsverzeichnis habe verlassen dürfen. Die Klage des Unternehmers, mit der er seinen Mehraufwand geltend gemacht hat, wies das Gericht trotzdem ab. Denn es habe an einer rechtsgeschäftlichen, mit Vertretungsmacht abgegebenen Erklärung des Bauherrn gefehlt, mit der eine geänderte Bauweise angeordnet wurde. Zwar könne eine solche Anordnung auch konkludent erfolgen, etwa durch die Übergabe geänderter Pläne. Dabei sei es nicht einmal notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen habe, das vertraglich vereinbarte Bausoll zu ändern, also eine Änderung der Bauleistung zu verlangen. Notwendig sei jedoch, dass der Unternehmer die Erklärung oder das Verhalten des Bauherrn als Änderungsanordnung auffasse. Der Unternehmer müsse annehmen dürfen, dass dem Bauherrn bewusst sei, dass er etwas anderes fordere, als ursprünglich vereinbart gewesen sei. Hieran fehlte es nach Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig, da der Bauherr stets davon ausgegangen sei, dass der Unternehmer nicht tragende Bauteile geschuldet habe. Bei dieser Konstellation sei der Unternehmer verpflichtet, den Bauherrn auf anfallende Mehrkosten hinzuweisen. Nur wenn der Bauherr in Kenntnis dieser Mehrkosten auf eine Ausführung entsprechend der Statik bestanden hätte, wäre von einer Änderungsanordnung auszugehen gewesen, sodass dem Unternehmer ein Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B zugestanden hätte.
Das Urteil zeigt, wie schwer es für den Unternehmer im Einzelfall sein kann, Nachtragsforderungen durchzusetzen. Obwohl das Oberlandesgericht Schleswig davon ausging, dass der Unternehmer eine vom Bausoll abweichende Leistung ausgeführt hat und die Leistungsausführung auch dem Wunsch des Bauherrn entsprach, hat es dem Unternehmer keine Nachtragsforderung zugebilligt. Der Unternehmer muss über die objektive Änderung der Bauleistung hinaus erkennen, ob auch der Bauherr von einer geänderten Leistung ausgeht oder nicht. Nur dann liege eine Anordnung des Bauherrn vor, die Voraussetzung für Nachtragsansprüche nach § 2 Abs. 5 VOB/B ist.