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15.02.2024

Das OLG Düsseldorf begrenzt den Innenregress gegen Unternehmensleiter wegen Rechtsverstößen

1. Finanzielle Lasten von Rechtsverstößen: Regress beim Unternehmensleiter möglich?

Verstöße gegen geltendes Recht können für Unternehmen zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen. Dabei fallen Unternehmensgeldbußen vor allem bei Kartellrechtsverstößen ins Gewicht, die bis zu 10% des konzernweiten Jahresumsatzes betragen können. Hinzu kommen weitere monetäre Lasten des Unternehmens, wie Schadensersatzansprüche der Geschädigten sowie die Kosten für die Sachverhaltsaufklärung und die erforderliche Rechtsverteidigung.
Ob ein Unternehmen für diese Lasten bei den verantwortlichen Unternehmensleitern Regress nehmen kann, ist rechtlich umstritten. Das OLG Düsseldorf hat dazu ausführlich Stellung genommen – und kam zu einer differenzierenden Lösung.

2. OLG Düsseldorf: Kartellbußgeld nein, Schadensersatz Dritter ja

Für das Bußgeld gegen das Unternehmen wurde ein Regress vom OLG abgelehnt. Das mag überraschen, wenn man bedenkt, dass das Bundeskartellamt im konkreten Fall einen vorsätzlichen Kartellrechtsverstoß festgestellt hatte, an dem zudem der beklagte Unternehmensleiter selbst jahrelang beteiligt war. Ausschlaggebend war für das OLG, dass das deutsche Sanktionssystem für den Unternehmensleiter ein eigenes, sehr viel niedrigeres Bußgeld vorsieht. Durch den Regress würde diese differenzierte Systematik unterlaufen.
Für sonstige Schäden des Unternehmens wegen des Kartellrechtsverstoßes hat das OLG Düsseldorf eine Regressmöglichkeit dagegen bejaht. Dies erfasst insbesondere Schadensersatzansprüche von Kunden und Aufwendungen des Unternehmens wegen des Verstoßes, die nicht mit dem Bußgeldverfahren zusammenhängen. Damit bleibt es selbst nach der großzügigen Auffassung des OLG dabei, dass der Regress für Unternehmensleiter zu einer existenzbedrohenden Situation führen kann – jedenfalls dann, wenn es keine D&O-Versicherung zu ihren Gunsten gibt, oder wenn die Versicherung den Verstoß nicht erfasst (z.B. weil der Unternehmensleiter vorsätzlich gehandelt hat).

3. Hoffnung auf Entscheidung des BGH

Damit ist die Frage, ob und in welchem Umfang ein Regress möglich ist, jedoch noch nicht abschließend geklärt. Das LG Dortmund hat in einem anderen Verfahren – auch mit Blick auf das Urteil des OLG Düsseldorf – deutlich gemacht, dass es eine Einschränkung der Bußgeldhaftung nicht vornehmen wird. Es ist offen, wie sich der BGH positionieren wird.
Die Praxisrelevanz der betroffenen Rechtsfragen kann kaum überschätzt werden. Diese gehen insbesondere weit über den Regress von Bußgeldern, die das Bundeskartellamt nach deutschem Recht verhängt hat, hinaus. Insbesondere wird mit Spannung erwartet, ob es dem BGH gelingt, eine generelle Lösung zu entwickeln, die auch die Frage des Regresses von Bußgeldern nach EU-Kartellrecht oder nach anderen Gesetzen (etwa GWG, WpHG) berücksichtigt. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass der Gesetzgeber selbst Regressmöglichkeiten schafft, etwa im Referentenentwurf vom 3.7.2023 zur Umsetzung der NIS-2 Richtlinie (dort § 38 Abs. 2 S. 1, vgl. dazu auch den aktuellen Newsletter-Beitrag von BRP RENAUD zum Referentenentwurf).

4. Schlussfolgerung

Noch vor der Entscheidung des BGH lässt sich aus dem Verfahren des OLG Düsseldorf jedenfalls eine Schlussfolgerung ziehen. Schon während des laufenden Bußgeldverfahrens sollten die Berater des Unternehmens und der Unternehmensleiter die Frage des Regresses im Blick haben und ihre Handlungsoptionen vor diesem Hintergrund abwägen. Die Möglichkeit des Regresses bietet dabei vor allem für das betroffene Unternehmen Chancen und Risiken. Der Regress kann einerseits die Lasten des Rechtsverstoßes am Ende noch einmal ganz neu verteilen. Andererseits kann die Aussicht auf einen Regress dazu führen, dass Unternehmensleiter kein Interesse haben, proaktiv und in der gebotenen Schnelligkeit an der Aufklärung eines Verstoßes und am behördlichen Verfahren mitzuwirken. Gerade bei kartellbehördlichen Verfahren kann das für ein Unternehmen zur Belastung werden, mit erheblichen finanziellen Nachteilen.

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